Baunachbarrecht – Nachbarschutz im Baugenehmigungsverfahren; Gebietserhaltungsanspruch

Wird einem Bauherrn für ein von ihm geplantes Vorhaben eine Baugenehmigung oder ein Bauvorbescheid erteilt, erheben Nachbarn hiergegen nicht selten Widerspruch. Die zuständige Widerspruchsbehörde muss dann prüfen und entscheiden, ob der mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid rechtswidrig ist. Eine Begründung ist für die zulässige Erhebung eines Widerspruchs zwar nicht erforderlich. Um die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs zu erhöhen, sollte der Widerspruch aber entsprechend begründet werden.

Zu beachten ist allerdings, dass durch die Erhebung eines Widerspruchs keine objektive Rechtskontrolle ermöglicht wird. Die Rechtsordnung gewährt eine erneute Überprüfung der angefochtenen Entscheidung im Widerspruchsverfahren nur im Hinblick auf solche Rechte, die gerade auch den Interessen des Einzelnen zu dienen bestimmt sind. Man spricht insoweit von sog. subjektiv öffentlichen Rechten. Der erhobene Widerspruch wird nur dann Erfolg haben, wenn der angefochtene Bescheid gerade deshalb rechtswidrig ist, weil er gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts verstößt, und der Widerspruchsführer gerade zu dem Kreis der von der verletzten Vorschrift geschützten Personen gehört. In Betracht kommen Verstöße gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsregelungen, Verstöße gegen das Gebot der Rücksichtnahme oder aber ein Verstoß gegen den sog. Gebietserhaltungsanspruch, dessen Voraussetzungen und Grenzen kurz dargestellt werden sollen:

Der Gebietserhaltungsanspruch gewährt Eigentümern eines Grundstücks ein Abwehrrecht gegen Vorhaben, die von der in dem Gebiet zulässigen Nutzungsart abweichen. Welche Nutzungen zulässig sind, kann zum einen durch Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der zulässigen baulichen Nutzung geregelt werden. Zum anderen kann sich die zulässige Nutzung auch aus der tatsächlich vorhandenen Bebauung ergeben, etwa wenn die Art der vorhandenen baulichen Nutzung einem in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichneten Baugebiet entspricht („faktisches Baugebiet“). Liegt ein Grundstück innerhalb eines solchen Gebiets, kann sich dessen Eigentümer unter Berufung auf den Gebietserhaltungsanspruch gegen gebietsfremde Bauvorhaben zur Wehr setzen, und zwar unabhängig davon, ob die gebietsfremde Nutzung den Eigentümer selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht. Der Widerspruchsführer, der sich gegen ein gebietsfremdes Vorhaben zur Wehr setzen will, muss lediglich nachweisen können, dass sein Grundstück innerhalb des Gebiets liegt, in dem auch das Vorhaben errichtet werden soll, und dass die Nutzungsart des geplanten Vorhabens in dem Gebiet nicht zulässig ist. Werden die Gebietsgrenzen nicht durch einen Bebauungsplan definiert, ist oftmals fraglich, ob das grundstück des Rechtschutzsuchenden noch innerhalb des Vorhabengebiets liegt. Die Gebietsabgrenzung ist nicht immer einfach, häufig sogar zentraler Kern von Rechtstreitigkeiten. Liegt das Grundstück des Rechtsschutzsuchenden außerhalb des Gebiets, in dem das Vorhaben geplant ist, kann der Widerspruch nicht auf den Gebietserhaltungsanspruch gestützt werden. Befinden sich die Grundstücke zwar innerhalb desselben Gebiets, ist die Art der vorhandenen baulichen Nutzung aber so inhomogen, dass eine Zuordnung zu einem faktischen Baugebiet nicht möglich ist, es also an einer schutzwürdigen, das Gebiet prägenden Nutzungsart fehlt, kann sich der Rechtschutzsuchende ebenfalls nicht auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Gebietserhaltungsanspruch keinen Schutz gegen eine der Art nach grundsätzlich zulässige, aber intensivere Nutzungsform gewährt, wie etwa in Fällen, in denen zum Zwecke der Nachverdichtung von Wohngebieten mit Einfamilienhäusern Mehrfamilienhäuser errichtet werden sollen.

Sie sehen, die Grenzen des Gebietserhaltungsanspruchs sind relativ eng. In Zweifelsfällen kann eine rechtliche Beratung für Klarheit sorgen.

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