Bestandsschutz im Baurecht – was bedeutet das?

I. Die Situation:
Es soll ein schon vor langer Zeit errichtetes Gebäude modernisiert und umgebaut werden. Die Umbaumaßnahmen werden geplant und Aufträge zur Durchführung der Umbaumaßnahmen an Handwerksfirmen erteilt. Wie aus heiterem Himmel erhält man von der Bauaufsichtsbehörde ein Anschreiben, in welchem steht, der Umbau bzw. das Gebäude sei nicht genehmigt. Die Behörde droht mit dem Abriss des Gebäudes.
Aber was soll schon passieren, denkt man. Das Gebäude genießt ja Bestandsschutz. Schließlich sei es doch schon vor langer Zeit errichtet worden und das Gebäude sei auch nach dem Umbau im Wesentlichen noch immer das Gleiche. Aber trifft das wirklich zu?

In dieser Situation ist allergrößte Vorsicht geboten. Es geht um nicht weniger, als das teuer bezahlte Eigenheim vor dem Abbruch zu bewahren. Wenn der Grundstückskaufpreis dann auch noch durch einen Bankkredit finanziert wurde, besteht im Falle eines Abrisses des Gebäudes die Gefahr, dass aus Sicht der finanzierenden Bank keine ausreichende Sicherung mehr besteht. Im schlimmsten Fall kündigt die Bank dann den Kreditvertrag und stellt den noch offenen Darlehensbetrag sofort fällig - ein Horrorszenario.

II. Kann sich der Eigentümer auf Bestandsschutz berufen? Was heißt Bestandsschutz überhaupt, wann liegt er vor und wann entfällt er?
Der Bestandsschutz ist nicht gesetzlich geregelt. Er wurde durch das Bundesverwaltungsgericht entwickelt. Unterschieden wird zwischen dem passiven und dem aktiven Bestandsschutz.

  1. Vom passiven Bestandsschutz umfasst sind Gebäude, für die eine Baugenehmigung besteht und die im Einklang mit der zur Zeit ihrer Errichtung geltenden Rechtslage errichtet wurden. Diese Gebäude sollen davor geschützt werden, dass sich im Laufe der Zeit die gesetzlichen Anforderungen an Gebäude ändern, sog. formeller Bestandsschutz. Gebäude, die ohne eine erforderliche Baugenehmigung errichtet wurden, aber zum Zeitpunkt ihrer Errichtung oder zu einem späteren Zeitpunkt die gesetzlichen Anforderungen einhielten und damit hätten genehmigt werden müssen, genießen sog. materiellen Bestandsschutz. Besteht passiver Bestandsschutz, kann die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich nicht verlangen, dass das Gebäude an zwischenzeitlich geänderte baurechtliche Vorgaben angepasst wird oder dass das Gebäude zurückzubauen ist. Gleichwohl gibt es auch Ausnahmen: so gehen z.B. Brandschutzbestimmungen dem Bestandsschutzinteresse des Eigentümers vor. Ob wirklich Bestandsschutz besteht, muss daher am Einzelfall geprüft werden.
  2. Der aktive Bestandsschutz gibt darüber hinaus dem Bauherrn die Möglichkeit, Änderungen an dem Bauwerk vorzunehmen. Allerdings unterstehen nicht alle baulichen Änderungen dem aktiven Bestandsschutz. Umfasst sind Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung des Bestandes, z.B. der Einbau neuer Fenster im gleichen Format oder die Neueindeckung des Daches. Bei darüber hinausgehenden baulichen Veränderungen können dazu führen, dass der Bestandschutz für das Gebäude insgesamt entfällt. Der Bestandsschutz greift jedenfalls dann nicht ein, wenn das Gebäude nicht mehr mit dem alten, ursprünglichen Bauwerk identisch ist. Dies ist etwa der Fall bei Umbaumaßnahmen, die auch die Statik des Gebäudes verändern. Auch eine Änderung der Nutzungsform führt dazu, dass der Bestandsschutz nicht mehr eingreift. Tritt an die Stelle einer Wohnnutzung z.B. eine Tischlerei, ist das Gebäude aus rechtlicher Sicht wie ein Neubau zu bewerten. Wird ein Gebäude zum Zwecke der Neuerrichtung bis auf das Fundament abgerissen, ist der Bestandsschutz ebenfalls entfallen.

III. Was ist bei einem geplanten Umbau beachten?
Vorsicht ist besser als Nachsicht. Vermeiden Sie es ohne vorherigen Prüfung der Genehmigungslage einfach draufloszubauen. Wird der Bestand zu sehr verändert, ist der Bestandsschutz mitunter schon entfallen. Es muss genau geprüft werden, inwieweit bei Umbaumaßnahmen in die bestehende Substanz eingegriffen wird. Bauwillige können sollten sich im Vorwege zumindest durch einen Architekten beraten lassen. In Zweifelsfällen sollten Sie sich aber zusätzlich von einem Anwalt für Verwaltungsrecht beraten lassen.

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