Die vermeintliche Vollmacht des Architekten - oder auch: Wer hat hier eigentlich das Sagen?

Am Bau agieren meist viele verschiedene Personen. Die Hauptakteure sind dabei der Bauherr und die ausführenden Bauunternehmer. Bei der Errichtung von Neubauten, bei größeren Umbauarbeiten und bei umfassenden Sanierungen betritt regelmäßig ein weiterer Hauptdarsteller die Bühne: der Architekt. Das hat auch gute Gründe, denn umfangreiche und komplexe Bauvorhaben bedürfen einer fachlichen Planung und koordinierten Baubegleitung. Der Architekt besitzt die dazu erforderliche Fachkunde. Je nach Umfang der ihm übertragenen Aufgaben plant er das Vorhaben von Grund auf, verhandelt mit Behörden, holt Angebote ein, führt Bietergespräche, wirkt mit bei der Auftragsvergabe, überwacht die Bauausführung und erteilt Weisungen. Sind die Baumaßnahmen abgeschlossen, nimmt er regelmäßig mit den beauftragen Unternehmen ein gemeinsames Aufmaß, prüft die Rechnungen, rügt etwaige vorhandene Mängel und überwacht die Mangelbeseitigung.

Da ist es nicht ganz überraschend, dass für viele Handwerker und Bauunternehmen häufig nicht der Bauherr, sondern der Architekt der erste Ansprechpartner ist. Eine Frage, die dann immer wieder auftaucht und bei der erfahrungsgemäß erhebliche Fehlvorstellungen, sowohl auf Seiten der Architekten, als auch auf Seiten der beteiligten Bauunternehmen vorliegen, ist, welche Vollmacht der Architekt hat, für den Bauherrn rechtsgeschäftlich tätig zu werden.

Es gehört nicht viel dazu, um beim Bau in Haftungsfallen zu tappen. Auf Baustellen ergeben sich häufig Situationen, in denen (meist Kosten verursachende) Zusatzmaßnahmen oder Änderungen der bisherigen Vertragsleistungen anfallen.

Bevor vom Architekten zusätzliche Kosten auslösende Maßnahmen angeordnet oder beauftragt werden, sollte jedoch zuallererst geklärt werden, welche Vollmachten er besitzt bzw. mit welchen Kompetenzen er vom Bauherrn ausgestattet wurde. Allein durch den bloßen Abschluss eines Architektenvertrages werden ihm nämlich noch keine Vollmachten verliehen. Eine Vollmacht erfordert immer die Erteilung durch eine rechtsgeschäftliche Handlung des Vollmachtgebers – hier des Bauherrn. Eine aus dem Gesetzt stammende "originäre Vollmacht" gibt es hingegen nicht.

Ohne Vollmachterteilung ist der Architekt nicht befugt, in bestehende Verträge einzugreifen. Er ist mithin nicht berechtigt

  • Änderungen des Vertrages hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung,
  • Änderung des Vertrages unter zeitlichen Gesichtspunkten,
  • Erteilung von Änderungsaufträgen oder Nachträgen, selbst wenn es sich um notwendige Leistungen handelt,

zu veranlassen oder für den Bauherrn die rechtsgeschäftliche Abnahme i. S. d. § 640 BGB bzw. § 12 VOB/B durchzuführen (wohl aber die rein technische Abnahme).

Gleiches gilt für die Schlussrechnung des Bauunternehmers. Der Architekt kann zwar ein gemeinsames Aufmaß mit den Bauunternehmen aufnehmen. Sein Prüfvermerk auf der Schlussrechnung führt jedoch nicht per se zu einem Anerkenntnis der Schlussrechnungsforderung. Mit seiner Unterschrift unter dem Aufmaß bestätigt der nicht bevollmächtigte Architekt lediglich, dass die Arbeiten in der vermerkten Zeit sowie die angeführten Mengen und Massen erbracht wurden. Indes sagt seine Unterschrift nichts darüber aus, ob und inwiefern die erbrachte Leistung zu vergüten ist.

Ohne ausdrückliche Vollmachterteilung ist der Architekt grundsätzlich nicht berechtigt, den Bauherrn etwa durch Erteilung von Zusatzaufträgen oder sonstigen Änderungen des bisherigen Vertragsinhalts rechtsgeschäftlich zu binden. Erteilt der Architekt dennoch Zusatzaufträge oder ändert er das vertraglich vereinbarte Bau-Soll, macht er sich u.U. schadensersatzpflichtig.

Sowohl der Architekt, als auch die Bauunternehmen sollten zur Vermeidung misslicher Situation daher rechtzeitig klären, mit welche Vollmachten und Kompetenzen der Architekt vom Bauherrn ausgestattet wurde.
Grundsätzlich gilt: Die Vollmacht des Architekten endet dort, wo der Geldbeutel des Bauherrn anfängt.

Steht über eine Bevollmächtigung des Architekten nichts im Bauvertrag, muss der Bauunternehmer davon ausgehen, dass der Architekt keinerlei Befugnisse hat, für den Bauherrn rechtsverbindliche Handlungen vorzunehmen. Erhält er beispielsweise direkt vom Architekten einen Auftrag, sollte er sich beim Bauherrn nach der Vollmacht des Architekten erkundigen. Unterlässt er dies und erbringt er dennoch die Zusatzleistung, läuft er Gefahr, hierfür weder eine Vergütung vom Bauherrn, noch vom Architekten zu erhalten. Und es kann sogar noch schlimmer kommen: Die Abweichung vom Bau-Soll begründet mitunter einen Mangel, weil der Architekt eben nicht befugt war, den Nachtrag zu beauftragen oder das Bau-Soll zu ändern. Diesen Mangel muss der Bauunternehmer dann ggf. wieder beseitigen – auf eigene Kosten.

Weil in der Praxis häufig keine ausdrücklichen Vollmachten erteilt werden, wurden von der Rechtsprechung mit den Jahren verschiedene Rechtsfiguren entwickelt, unter deren Voraussetzungen der eigentlich vollmachtlose Architekt den Bauherrn doch noch rechtlich binden kann, beispielsweise die sog. Anscheins- oder Duldungsvollmacht. Welchen Voraussetzungen diese im Einzelnen unterliegen, lässt sich in der hier gebotenen Kürze des Artikels leider nicht darstellen. Eine Rücksprache bei einer Rechtsanwältin / einem Rechtsanwalt sollte aber für Klarheit sorgen können.

Im Idealfall ist die Reichweite der erteilten Vollmacht aber von Vornherein für die am Bau beteiligten Akteure klar geregelt, damit alle wissen, wer das Sagen hat.

Zurück