Irrtümer und Missverständnisse führen immer wieder zu vermeidbaren Fehlern bei der Testamentsgestaltung und Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche.
Die im Gesetz vorgesehene Erbfolge kann bekanntlich durch Testamente und Erbverträge abgeändert werden.
Wenn bestimmte, dem Verstorbenen nahestehende Personen durch Testament enterbt bzw. schlicht übergegangen, also nicht bedacht werden, stehen ihnen trotzdem gesetzliche Pflichtteilsrechte zu, die grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden können. Pflichtteilsberechtigte Personen sind die Kinder des Verstorbenen, sein Ehepartner und wenn Kinder nicht vorhanden sind, auch die noch lebenden Eltern, nicht jedoch die Geschwister des Verstorbenen.
Dass bei der Enterbung dieser Personen Pflichtteilsansprüche bestehen, ist in der Regel bekannt.
Denkbar ist jedoch auch, dass pflichtteilsberechtigte Personen in einem Testament zwar bedacht werden, dass aber das ihnen zugeteilte Erbe oder Vermächtnis (Legat) wirtschaftlich bzw. rechnerisch kleiner ist, als der ihnen zustehende Pflichtteilsanspruch. Es kommt auch häufig vor, dass die Annahme der Erbschaft von dem Verstorbenen mit testamentarischen Verpflichtungen verknüpft wird, die erfüllt werden müssten, wie z. B. die Zahlung einer Abfindung oder Rente an andere Personen oder die Verpflichtung, anderen Personen ein lebenslanges Wohnrecht an dem geerbten Haus einräumen zu müssen, so dass man das Haus selbst bis auf weiteres gar nicht nutzen kann, aber als Eigentümer trotzdem die Hauskosten tragen müsste.
Oft erlebe ich in meiner Beratungspraxis, dass vielen Betroffenen nicht bekannt ist, dass das gesetzlich vorgesehene Pflichtteilsrecht vielschichtig ist:
Ist das Erbteil beispielsweise wirtschaftlich kleiner als der rechnerische Pflichtteil, kann der sog. Zusatzpflichtteil eingefordert werden. Ist der Pflichtteilsberechtigte mit einem Vermächtnis bedacht, kann er dieses annehmen oder ausschlagen und seinen Pflichtteilsanspruch in Geld geltend machen. Ist er Alleinerbe oder Miterbe und sein Erbteil mit weiteren testamentarischen Verpflichtungen und Belastungen verknüpft, kann der Pflichtteilsberechtigte diesen Erbteil ausschlagen, um seinen vollen Pflichtteil geltend zu machen.
Für die rechtliche Beurteilung und die Wahl des richtigen Vorgehens sind fundierte Kenntnisse des Erbrechts erforderlich, da neben einer genauen Analyse des Testamentsinhaltes und des „letzten Willen“ des Verstorbenen auch die Abgabe der richtigen Erklärungen unter Berücksichtigung eventueller Ausschlagungsfristen zu berücksichtigen sind.
Diese Fragen stellen sich nicht erst nach dem Tod und bei Eröffnung des Testamentes, sondern sollten auch bereits bei der Abfassung und Formulierung eines Testamentes erörtert und die Konsequenzen berücksichtigt werden.