Rechtsschutz gegen Baugenehmigung für den Nachbarn

Die Baubranche boomt. Städte und Gemeinden sind bestrebt, neuen Wohnraum zu schaffen. Dabei kommt es gerade in Städten, die kaum noch über freie bebaubare Flächen verfügen, zu einer Wohnraumverdichtung. Einfamilienhäuser müssen immer öfter Mehrfamilienhäusern weichen, wodurch sich die Nutzung der Grundstücke intensiviert. Auf gleicher Fläche leben auf einmal deutlich mehr Menschen, als zuvor. Es erstaunt insofern nicht, dass sich in den betroffenen Gebieten hiergegen Widerstand regt. Gerade in Gebieten mit großzügigen Grundstücken und Einfamilienhausbebauung sehen sich betroffene Nachbarn durch die Errichtung von Mehrfamilienhäusern einer beeinträchtigenden Umstrukturierung ihres Wohngebiets ausgesetzt. Häufige Einwendungen sind dabei, dass das Mehrfamilienhaus einfach nicht in die nähere Umgebung passe, die Bewohner der oberen Etagen des Mehrfamilienhauses dem Nachbarn ungehindert in den Garten gucken könnten und dass aufgrund der größeren Zahl der Anwohner mehr Pkw-Verkehr entstehe, die vorhandenen Stellplätze im öffentlichen Raum nicht mehr ausreichen würden und die Straßen den Verkehr nicht aufnehmen könnten.

Will ein Nachbar gegen eine Baugenehmigung vorgehen, kann dies grundsätzlich durch Erhebung von Widerspruch gegenüber der Baugenehmigungsbehörde erfolgen.

Erfolg haben baurechtliche Nachbarrechtsbehelfe aber nicht schon dann, wenn die angefochtene Baugenehmigung objektiv rechtswidrig erteilt wurde. Rechtsbehelfe dieser Art können nur erfolgreich sein, wenn darüber hinaus gerade der klagende bzw. widersprechende Nachbar in subjektiv- öffentlichen Nachbarrechten verletzt ist. Ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist, ist nicht maßgeblich. Vielmehr ist die Baugenehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen. Der Nachbar kann sich nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht. In Betracht kommen Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften insbesondere des Bauordnungs- oder Bauplanungsrechts einschließlich des Gebots der Rücksichtnahme oder sonstige nachbarschützende Vorschriften.

Zu dem oft vorgebrachten Einwand des zu erwartenden Stellplatzmangels hat das Verwaltungsgericht Schleswig in einer Entscheidung vom Januar 2019 (Az. 2 B 40/18) ausgeführt, dass die bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die Verpflichtung zur Errichtung der für eine ordnungsgemäße Nutzung notwendigen Stellplätze nicht nachbarschützend sind, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr dienen. Der Nachbar kann nur mittelbar den Verzicht auf die Errichtung der nach § 50 Abs. 1 S. 1 und 2 LBO an sich erforderlichen Stellplätze rügen, nämlich dann, wenn sich hieraus ein Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme ergibt. Ein Verstoß liegt vor, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn - auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung seines Grundstücks - bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind.

Auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann sich der Nachbar etwa dann berufen, wenn der Stellplatzmangel geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung seines eigenen Grundstücks zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung liegt - jedenfalls solange der freie Zugang zum Grundstück möglich ist - allerdings nicht schon darin, dass die angrenzenden Straßen durch Fahrzeuge von Nutzern der baulichen Anlage zum Parken in Anspruch genommen werden und dem Nachbarn nur noch mit den daraus folgenden Einschränkungen zur Verfügung stehen. Das dem Nachbarn durch das Eigentum vermittelte Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung seines Grundstücks begründet kein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums.

Rücksichtslos ist der Verzicht auf die notwendigen Stellplätze allerdings dann, wenn der dadurch bewirkte parkende Verkehr und Parksuchverkehr den Nachbarn in der Wohnnutzung seines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Dies setzt i.d.R. entsprechende Immissionen, voraus. Gelingt dieser Nachweis nicht, kann der Nachbarrechtsbehelf keinen Erfolg haben.

Ob baurechtliche Nachbarrechtsbehelfe mit Erfolg geltend gemacht werden können, sollte vorab mit einem auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts tätigen Rechtsanwalt erörtert werden.

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