Wenn ein Paar heiratet und seine güterrechtlichen Verhältnisse nicht durch einen Ehevertrag regelt, gilt der gesetzliche Güterstand, die sogenannte Zugewinngemeinschaft. Im Falle der Ehescheidung ist dann auf Verlangen eines Ehepartners der Zugewinn auszugleichen, genauer gesagt, die Hälfte desjenigen Betrages, um den der Zugewinn des einen Ehepartners denjenigen des anderen übersteigt. Beträgt beispielsweise der Zugewinn des Ehemannes 100.000,00 € und derjenige der Ehefrau 50.000,00 €, ist der Mann auf Verlangen, nicht etwa automatisch, ausgleichspflichtig. Da sein Zugewinn denjenigen seiner Frau um 50.000,00 € übersteigt, kann sie von ihm Zahlung der Hälfte, also von 25.000,00 € verlangen.
Zugewinn ist derjenige Betrag, um den das End- das sogenannte Anfangsvermögen übersteigt. Das Vermögen jedes Ehegatten muss also zu zwei verschiedenen Zeitpunkten ermittelt werden, um den Zugewinn beziffern zu können. Der Zeitpunkt oder Stichtag für die Bewertung des Endvermögens ist in der Regel auf den Tag der Zustellung des Ehescheidungsantrages bestimmt. Bezogen auf diesen Tag müssen sich die Eheleute auf Verlangen wechselseitig Auskunft über den Stand ihres jeweiligen Vermögens erteilen. Ist es dann gelungen, den Wert des Endvermögens zu ermitteln, muss davon noch das Anfangsvermögen und damit dasjenige Vermögen, das am Tage der Eheschließung vorhanden war, abgezogen werden. Die verbleibende Differenz bildet den Zugewinn, vorausgesetzt, das End- übersteigt das Anfangsvermögen.
Somit ist die Höhe des Zugewinns und damit der Ausgleichsanspruch maßgeblich von der Differenz des Anfangs- und des Endvermögens abhängig. Je höher das Anfangsvermögen, desto geringer der Zugewinn und infolgedessen ein etwaiger Zahlungsanspruch des anderen Ehegatten.
Wer aufgrund erheblichen Endvermögens von seinem Partner im Zuge der Scheidung oder noch danach „zur Kasse gebeten“ zu werden droht, wird deshalb ein lebhaftes Interesse an der Darstellung möglichst hoher Anfangsvermögenswerte haben. Dabei hat der Betreffende aber zunächst einmal eine gesetzliche Vermutung gegen sich, die lautet, dass Anfangsvermögen nicht vorhanden ist. Es ist dann seine Aufgabe darzulegen und vor allem zu beweisen, dass am Hochzeitstage Vermögenswerte vorhanden waren. Gerade nach langer Ehe kann das schwierig, ja sogar unmöglich sein. Wer weiß schon nach 15 oder 20 Jahren, was er am Hochzeitstage besessen hat. Welche Kontoguthaben waren vorhanden? Die Kontoauszüge, die ein tauglicher Nachweis sein könnten, sind längst vernichtet. Die Bank kann dann meistens auch nicht mehr weiterhelfen. Welche Wertpapiere mit welchem Wert besaß der Betreffende? Meist fehlt nach Jahren die Erinnerung daran, und die Kaufbelege oder sonstige Nachweise lassen sich nicht mehr auffinden. Welches Auto fuhr der Betreffende damals, wann und zu welchem Preis angeschafft, welche Laufleistung etc.? Die Beispiele mögen zeigen, wie schwierig es sein kann, Anfangsvermögen beweisfest aufzuführen. Alleine bestimmte Vermögenswerte als damals vorhanden zu behaupten, reicht meistens nie. Der andere Ehegatte hat kein Interesse, seinem scheidenden Partner irgendwelche Anfangsvermögenswerte zuzugestehen, die ja nur seinen möglichen Zugewinnausgleichsanspruch schmälern könnten. Wer Vorhandensein von Anfangsvermögen behauptet, ist dafür beweispflichtig. Urkunden, z. B. Kontoauszüge, Kaufbelege, Depotübersichten etc. taugen dabei am besten. Zeugen sind zwar auch denkbar, häufig genug aber ein fragwürdiges und dann unbrauchbares Beweismittel.
Dabei bietet das Gesetz einen Ausweg an, um derartige Schwierigkeiten zu vermeiden, der aber zumeist ungenutzt bleibt. Nach der Gesetzeslage wird nämlich nur dann vermutet, dass das Endvermögen eines Ehegatten seinen Zugewinn darstellt, Anfangsvermögen also gar nicht berücksichtigt wird, wenn die Eheleute über ihr Anfangsvermögen kein gemeinsames Verzeichnis aufgenommen haben. Sie können durch ein solches Verzeichnis positiv den Bestand und den Wert des am Tage der Eheschließung vorhandenen Vermögens für jeden Ehepartner feststellen und sich die in dem Verzeichnis enthaltenen Angaben wechselseitig durch Unterschriften bestätigen. Existiert ein solches Verzeichnis, vermutet das Gesetz dessen Richtigkeit im Verhältnis der Ehegatten zueinander. Behauptet bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Zuge der Scheidung ein Ehegatte, ein Vermögenswert des anderen sei am Hochzeitstage gar nicht vorhanden gewesen, kann sich der auf das Vermögensverzeichnis berufen und seinen Widersacher auf dessen Beweispflicht für das Gegenteil verweisen.
Daher gilt: Bei Vorhandensein erheblicher Vermögenswerte bei Eheschließung ist zur Vermeidung späterer Streitigkeiten ein Vermögensverzeichnis auf jeden Fall zu empfehlen.
Anfangsvermögen kann sich aber auch noch nach der Eheschließung bilden oder erhöhen. Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes, also nach der Hochzeit, erbt, mit Rücksicht auf sein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder Ausstattung erwirbt, zählt als Anfangsvermögen. Haben beispielsweise die Eltern der Ehefrau ihr während bestehender Ehe ein Hausgrundstück übertragen, wird dieses bei einer späteren Scheidung so behandelt, als habe es die Ehefrau schon am Hochzeitstage besessen. Das verringert ihren etwaigen Zugewinn oder beseitigt ihn gar, wenn das Anfangsvermögen des Endvermögen erreicht oder gar übersteigt und verhindert oder vermindert so eine mögliche Ausgleichspflicht der Ehefrau, zumal dann, wenn der betreffende Vermögenswert bei Ehescheidung nicht mehr vorhanden ist (sonst würde er auch zum Endvermögen zählen), beispielsweise das Haus verkauft und der Erlös verlebt wurde.
Gerade bei längeren Ehen erfährt das Anfangsvermögen eine teilweise beachtliche „Wertsteigerung“, begründet durch eine Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes. So wird der Rechnungsposten Anfangsvermögen an die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltungskosten angepasst, die zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehe maßgeblich sind.